Und zum Abschluss ein Blick darauf, was man wirtschaftspolitisch tun könnte oder sollte

Zum Ende des Semesters und nach der intensiven Behandlung von notwendigerweise vielen Einzelthemen aus der Volkswirtschaftslehre macht es Sinn, wenn man wieder die Dinge zusammenzubinden versucht. Und dazu habe ich Ihnen im Materialordner auf der Olat-Seite diese neue Veröffentlichung zur Verfügung gestellt und Ihnen mit auf den Weg gegeben, die Ausführungen zu lesen. Sie werden dort auf viele behandelten Themen (und Begriffe) stoßen:

➔ Sebastian Dullien et al. (2025): Modell Deutschland neu justieren – Nachfrage und Innovationen stärken – Wirtschaftspolitische Herausforderungen 2025. IMK Report Nr. 194, Düsseldorf: Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Januar 2025
»Deutschlands Wirtschaft stagniert seit zwei Jahren und das Bruttoinlandsprodukt ist kaum höher als vor fünf Jahren. Die Rahmenbedingungen für Deutschlands exportorientiertes Wirtschaftsmodell haben sich drastisch geändert. Ohne zügige wirtschaftspolitische Maßnahmen droht der industrielle Kern der deutschen Wirtschaft wegzubrechen. Die aktuelle Diskussion erinnert an die Reformdebatte der frühen 2000er Jahre. Damals wie heute waren die Unternehmen deutlich besser aufgestellt als vielfach wahrgenommen. Allerdings muss das Modell Deutschland an die neuen Gegebenheiten, insbesondere infolge der geostrategischen Ausrichtung von China und den USA, angepasst werden. Dabei ist eine hinreichende Binnennachfrage erforderlich, damit Exportorientiertheit mit steigenden Einkommen und einer tendenziell ausgeglichenen Leistungsbilanz vereinbar ist. Am dringlichsten ist die Überwindung der aktuellen Nachfrageschwäche durch eine Fiskalpolitik, die notwendige Infrastrukturinvestitionen auf den Weg bringt und ein günstiges Umfeld für private Investitionen und Innovationen schafft, sowie eine Beendigung der geldpolitischen Restriktion. Eine gezielte und auf EU-Ebene abgestimmte Industriepolitik sowie Maßnahmen zur Verringerung des Strompreises sind ebenso erforderlich wie eine neue Balance zwischen Regulierung und Innovationsfähigkeit.«

Nun muss man wissen, dass diese Veröffentlichung aus dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) kommt, ein Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Und die dort arbeitenden und forschenden Ökonomen sind nun überwiegend nachfrageorientierte Ökonomen, die keynesianische Positionen vertreten. Das wird man merken, wenn man den Text liest.

Um mich nicht dem Vorwurf der Einseitigkeit auszusetzen, habe ich Ihnen ergänzend einen Text zur Verfügung gestellt, der aus der „anderen Ecke“ des Spektrums stammt. Also von einem eher angebotsorientierten Ökonomen, in diesem Fall Michael Hüther, immerhin Direktor des von den Arbeitgebern finanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW):

➔ Michael Hüther (2025): Eine Agenda für die neue Legislaturperiode. Wettbewerbsfähigkeit und Transformation. IW-Policy Paper, Nr. 1/2025, Köln: Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Januar 2025
»Die deutsche Volkswirtschaft hat seit längerem mit strukturellen Veränderungen und Anpassungen zu kämpfen. Zusätzlich kann die deutsche Wirtschaft nicht mehr in dem Maße wie früher von der Weltkonjunktur profitieren. Dies ist auf einen Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft sowie auf zunehmende geopolitische Risiken zurückzuführen. Die wirtschaftlich angespannte Lage wird durch unzureichende private und öffentliche Investitionen weiter verschärft. Insbesondere die staatlichen Investitionen bleiben deutlich hinter internationalen Vergleichswerten zurück, was dazu führt, dass die Infrastruktur veraltet und notwendige Modernisierungseffekte ausbleiben. Dies gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft und führt zu stagnierender Produktivität sowie äußerst schwachen Wachstumsprognosen. Die klimapolitischen Verpflichtungen, den umfassenden Strukturwandel bis 2045 umzusetzen, definieren neue Anforderungen an die Wirtschaftspolitik.
Die wirtschaftspolitische Antwort auf diese Herausforderungen muss eine konsequente Angebotspolitik sein, die Investitionen und Innovationen in den Mittelpunkt stellt. Neben gezielten Investitionsförderungen sind eine umfassende Deregulierung sowie die Senkung steuerlicher Belastungen für Unternehmen unerlässlich. Auch eine Reform der Strompreise und Sozialbeiträge ist unabdingbar. Dabei müssen die wirtschaftspolitischen Maßnahmen die Rahmenbedingungen berücksichtigen, darunter die demografische Alterung, die Transformation zur Klimaneutralität und die geopolitischen Unsicherheiten verbunden mit einer neudefinierten Verteidigungspolitik. Eine kooperative und kohärente Strategie zwischen Lohn-, Finanz- und Geldpolitik ist entscheidend, um stabile Erwartungen zu schaffen und nachhaltiges Wachstum zu sichern. Bisher fehlt es an einer überzeugenden, gesamtwirtschaftlichen Erzählung für eine gelingende Transformation. Die neue Bundesregierung muss dies ernst nehmen und die Handlungsräume durch nachhaltige Finanzierung und Marktöffnung erweitern.«

Interessant ist, dass es wirtschaftspolitisch durchaus ein sehr interessante Gemeinsamkeit gibt zwischen beiden „Lagern“, also sowohl von der Nachfrage- wie auch der Angebotsseite wird an einer zentralen Stelle sehr vergleichbar argumentiert.

➔ Welche Gemeinsamkeit können Sie den beiden Texten entnehmen?