Wo stehen wir gesamtwirtschaftlich Anfang 2025 und welche Einschätzungen für das neue Jahr werden diskutiert?

Im Oktober 2024, am Anfang der VWL-Veranstaltung, hatte ich Ihnen berichtet von der damals aktuellen Wirtschaftsentwicklung, wie sie die Volkswirte mit Hilfe des BIP und anderer Kennzahlen zum Ausdruck bringen. Und die Bestandsaufnahme im damals noch laufenden Jahr 2024 war nicht erfreulich, alles deutete auf eine erneute Rezession bzw. höchstens Stagnation der am BIP gemessenen volkswirtschaftlichen Wertschöpfung hin.

Am 15. Januar 2025 hat nun das Statistische Bundesamt in einer Pressekonferenz eine erste (vorläufige) Bilanz des gerade abgeschlossenen Jahres 2024 veröffentlicht: Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 um 0,2 % gesunken, so ist die entsprechende Pressemitteilung überschrieben: »Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) war im Jahr 2024 nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) um 0,2 % niedriger als im Vorjahr. Kalenderbereinigt betrug der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland ebenfalls 0,2 %.«

„Konjunkturelle und strukturelle Belastungen standen im Jahr 2024 einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Wege“, wird Ruth Brand, die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, zitiert. „Dazu zählen zunehmende Konkurrenz für die deutsche Exportwirtschaft auf wichtigen Absatzmärkten, hohe Energiekosten, ein nach wie vor erhöhtes Zinsniveau, aber auch unsichere wirtschaftliche Aussichten. In diesem Umfeld schrumpfte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2024 erneut“.

Anmerkung: Im aktuellen Ergebnis für das Bruttoinlandsprodukt 2024 ist eine erste sehr frühe Schätzung für das 4. Quartal 2024 enthalten. Diese basiert auf einer unvollständigeren Datenbasis als die reguläre Quartalsrechnung und ist daher mit einer höheren Unsicherheit behaftet.

Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe mit deutlichen Einbußen, Dienstleistungsbereiche legen insgesamt zu

Die preisbereinigte gesamtwirtschaftliche Bruttowertschöpfung ging im Jahr 2024 um 0,4 % zurück. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen.

Im Verarbeitenden Gewerbe wurde weniger erwirtschaftet, die Bruttowertschöpfung nahm gegenüber dem Vorjahr deutlich ab (-3,0 %). Vor allem wichtige Bereiche wie der Maschinenbau oder die Automobilindustrie produzierten deutlich weniger. In den energieintensiven Industriezweigen – hierzu zählen beispielsweise die Chemie- und Metallindustrie – blieb die Produktion auf niedrigem Niveau. Im Jahr 2023 war sie infolge der stark gestiegenen Energiepreise erheblich zurückgegangen.

Im Baugewerbe nahm die Bruttowertschöpfung 2024 gegenüber dem Vorjahr mit -3,8 % noch etwas stärker ab. Die nach wie vor hohen Baupreise und Zinsen führten dazu, dass insbesondere weniger Wohngebäude errichtet wurden. Auch das Ausbaugewerbe musste Produktionsrückgänge hinnehmen. Die Modernisierung und der Neubau von Straßen, Bahnverkehrsstrecken und Leitungen führten dagegen zu einem Plus im Tiefbau.

Die Dienstleistungsbereiche entwickelten sich im Jahr 2024 insgesamt positiv (+0,8 %), jedoch uneinheitlich. So stagnierte die Bruttowertschöpfung im zusammengefassten Wirtschaftsbereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe. Dabei konnten der Einzelhandel und die Anbieter von Verkehrsdienstleistungen jeweils Zuwächse verzeichnen, während der Kfz- und Großhandel sowie die Gastronomie weniger erwirtschafteten als im Vorjahr. Die Bruttowertschöpfung der Unternehmensdienstleister stagnierte ebenfalls. Der Wirtschaftsbereich Information und Kommunikation setzte dagegen seinen Wachstumskurs fort (+2,5 %). Dies galt auch für die vom Staat geprägten Wirtschaftsbereiche: Neben der öffentlichen Verwaltung selbst wuchsen auch die Bereiche Erziehung und Unterricht sowie Gesundheitswesen weiter. Die Bruttowertschöpfung dieser Bereiche zusammen nahm im Vergleich zum Vorjahr deutlich zu (+1,6 %).

Bruttoanlageinvestitionen gehen deutlich zurück, Konsumausgaben stützen das BIP

Die Bruttoanlageinvestitionen sanken insgesamt um 2,8 % gegenüber dem Vorjahr. Nach wie vor hohe Baukosten wirkten sich dabei negativ auf die Bauinvestitionen aus. Sie gingen im Jahr 2024 preisbereinigt um 3,5 % zurück. Das größte Minus verzeichnete der Wohnungsbau. In diesem Bereich gingen die Investitionen bereits das vierte Jahr in Folge zurück. Die Investitionen in Ausrüstungen – hierzu zählen vor allem Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – nahmen 2024 noch stärker ab als die Bauinvestitionen. Preisbereinigt lagen sie im Vergleich zum Vorjahr um 5,5 % niedriger.

Von den privaten Konsumausgaben kamen im Jahr 2024 nur schwache positive Signale. Sie stiegen preisbereinigt um 0,3 %. Die sich abschwächende Teuerung und Lohnerhöhungen für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konnten die Käufe nur bedingt ankurbeln. Am stärksten stiegen die preisbereinigten Konsumausgaben der privaten Haushalte für Gesundheit (+2,8 %) sowie im Bereich Verkehr (+2,1 %). Demgegenüber gaben die privaten Haushalte deutlich weniger für Gastronomie- und Beherbergungsdienstleistungen aus als im Vorjahr (-4,4 %). Auch Bekleidung und Schuhe wurden preisbereinigt weniger gekauft als im Jahr 2023 (‑2,8 %).

Deutlich stärker als die privaten Konsumausgaben erhöhten sich im Jahr 2024 mit +2,6 % die preisbereinigten Konsumausgaben des Staates. Der Anstieg war insbesondere auf die merklich gestiegenen sozialen Sachleistungen des Staates zurückzuführen. So gab die Sozialversicherung unter anderem für Krankenhausbehandlungen, Medikamente und Pflege mehr Geld aus. Bei den Gebietskörperschaften stieg der Konsum vor allem wegen Änderungen in der Sozialgesetzgebung im Bereich der Jugend- und Eingliederungshilfe.

Die schwierige wirtschaftliche Lage im Jahr 2024 zeigte sich auch im Außenhandel. Die Exporte von Waren und Dienstleistungen sanken um 0,8 %. Grund waren unter anderem geringere Ausfuhren von elektrischen Ausrüstungen, Maschinen und Kraftfahrzeugen. Die preisbereinigten Importe stiegen dagegen leicht um 0,2 % im Vergleich zum Vorjahr, getragen in erster Linie von stärkeren Dienstleistungseinfuhren.

Arbeitsmarkt

Im Jahresdurchschnitt 2024 waren 46,1 Millionen Menschen mit Arbeitsort in Deutschland erwerbstätig. Damit wurde der Vorjahreswert nochmals um 72 000 Erwerbstätige (+0,2 %) übertroffen und ein neuer Beschäftigungshöchststand erreicht. Der Anstieg der Erwerbstätigkeit verlor aber deutlich an Dynamik und kam gegen Ende des Jahres 2024 zum Erliegen. Der Beschäftigungsaufbau fand im Jahr 2024 ausschließlich in den Dienstleistungsbereichen statt, vor allem im Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit. Die Zahl der Erwerbstätigen im Produzierenden Gewerbe und im Baugewerbe sank dagegen.

Und wie sieht es aus bei den Staatsfinanzen?

Die staatlichen Haushalte beendeten das Jahr 2024 nach vorläufigen Berechnungen mit einem Finanzierungsdefizit von 113 Milliarden Euro. Das waren etwa 5,5 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2023. Die Länder, Gemeinden und die Sozialversicherung erhöhten ihr Finanzierungsdefizit, vor allem durch mehr Ausgaben für soziale Sachleistungen und monetäre Sozialleistungen. Dies lag in erster Linie an höheren Ausgaben für Renten und Pensionen. Erheblich mehr wurde auch für das Pflegegeld und für das Bürgergeld ausgegeben. Dagegen konnte der Bund als einziger Teilsektor sein Defizit verringern. Entlastend wirkte dabei insbesondere, dass die Maßnahmen zur Abmilderung der Energiekrise – vor allem die Gas- und Strompreisbremse – Ende 2023 ausgelaufen sind. Bezogen auf das BIP in jeweiligen Preisen ergibt sich für Deutschland im Jahr 2024 eine Defizitquote von 2,6 %. Diese fällt damit so hoch aus wie im Vorjahr und liegt unterhalb des Referenzwertes von 3 % aus dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt.

Was erwarten (einige) Volkswirte für das gerade begonnene Jahr 2025?

Auch hier muss man natürlich immer berücksichtigen, dass die Einschätzungen selten bzw. nie wertfrei und gleichsam im wissenschaftlichen Elfenbeinturm erstellt werden.

Ich verlinke Ihnen hier ein Beispiel für aktuelle Einschätzungen dessen, was auf uns (möglicherweise) zukommen wird – auch vor dem Hintergrund, dass in den einzelnen Statements der Ökonomen des (gewerkschaftsnahen) Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) viele Themen, die wir während der VWL-Veranstaltung behandelt haben, angesprochen werden:

Prognosen des IMK: So wird 2025

Folgende Fragen werden dort behandelt:

➔ Kommt für die deutsche Wirtschaft 2025 endlich die Wende?
➔ Wird die deutsche Inflation 2025 wieder steigen?
➔ Wird die Arbeitslosigkeit 2025 weiter zunehmen?
➔ Wird es 2025 spürbare Fortschritte beim Abbau des Investitionsstaus geben?
➔ Fallen 2025 die Preise für deutsche Wohnimmobilien weiter?
➔ Wird Donald Trump 2025 mit seinen Drohungen von Zollerhöhungen ernst machen?
➔ Wird die EZB ihre Zinsen 2025 weiter senken?
➔ Führt der Streit um den französischen Staatshaushalt zu einem neuen Ausbruch der Euro-Krise?
➔ Wird die Wirtschaftspolitik von Donald Trump die US-Wirtschaft 2025 in eine Rezession führen?
➔ Gelingt 2025 die Wende beim Wohnungsbau und steigt die Zahl der Baugenehmigungen endlich wieder?
➔ Wird der CO2-Ausstoß Deutschlands 2025 weiter fallen?
➔ Wird das Staatsdefizit unverändert hoch bleiben?